Nach Verschwinden Khashoggis steigt der Druck auf Saudi-Arabien
Im Fall des vermissten saudiarabischen Journalisten Jamal Khashoggi steigt der Druck auf Riad: Die Türkei könne nicht länger "still bleiben", sagte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan am Donnerstag und forderte die Herausgabe von Videoaufnahmen aus dem Istanbuler Konsulat, in dem Khashoggi verschwunden war. Auch US-Präsident Donald Trump verlangte Auskunft, während Großbritannien mit "ernsten Konsequenzen" drohte, sollte der Regierungskritiker tot sein.
Er habe "auf höchster Ebene" mit Vertretern Saudi-Arabiens gesprochen, sagte Trump am Mittwoch. Washington sei "sehr enttäuscht" und werde der Sache "auf den Grund gehen". Nach Angaben des Weißen Hauses sprachen Trumps Schwiegersohn Jared Kushner und sein Sicherheitsberater John Bolton mit dem saudiarabischen Kronprinzen Mohammed bin Salman. Khashoggis türkische Verlobte Hatice Cengiz hatte zuvor Trump um Hilfe gebeten.
Türkische Ermittler haben den Verdacht geäußert, dass Khashoggi bei einem Besuch im Konsulat seines Landes in Istanbul vergangene Woche von saudiarabischen Agenten ermordet wurde. Riad weist die Vorwürfe zurück, ist aber den Beweis schuldig geblieben, dass der Regierungskritiker das Konsulat wieder lebend verließ. Laut Konsulat waren die Überwachungskameras im Gebäude am Tag von Khashoggis Besuch ausgefallen.
"Ist es möglich, dass es in einem Konsulat, in einer Botschaft kein Kamerasystem gibt?", fragte Erdogan vor türkischen Reportern. "Dieser Vorfall ist in unserem Land passiert. Es ist uns unmöglich, bei einem solchen Vorfall still zu bleiben", warnte er. Die türkische Regierung hat bisher direkte Vorwürfe an Riad vermieden, doch veröffentlichten die türkischen Medien zahlreiche Details aus den Polizeiermittlungen zu dem Fall.
Die "Washington Post", für die der im Exil lebende Khashoggi zuletzt als Kolumnist tätig war, berichtete, die US-Geheimdienste hätten vorab Kenntnis von Plänen zur Festnahme des Journalisten gehabt. Laut der Zeitung ordnete bin Salman an, den 59-jährigen Regierungskritiker nach Saudi-Arabien zu locken, um ihn dort festzunehmen. Das US-Außenministerium bestritt, dass die USA von derartigen Plänen Kenntnis hatten.
Angesichts der Vorwürfe gegen Saudi-Arabien mehren sich in der Türkei und im Westen die Forderungen, die Beziehungen zu Riad zu überdenken. Der britische Außenminister Jeremy Hunt warnte, sollten die Vorwürfe zur Ermordung Khashoggis wahr sein, werde dies "ernste Konsequenzen" haben. "Leute, die sich seit langem als Freunde Saudi-Arabiens betrachten, sehen dies als sehr ernste Angelegenheit", sagte Hunt.
In der Türkei konzentrierten sich die Ermittlungen derweil auf ein mutmaßliches "Anschlagsteam" aus 15 Saudiarabern, die am Tag von Khashoggis Besuch nach Istanbul gereist waren. Türkische Medien veröffentlichten am Mittwoch Fotos und Namen von 15 Männern, die in zwei privaten Flugzeugen am Dienstag vergangener Woche in Istanbul eintrafen, bevor sie am Abend über Dubai und Kairo nach Saudi-Arabien zurückkehrten.
Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu sagte vor Reportern, die Staatsanwaltschaft habe eine "intensive und umfassende Untersuchung" begonnen. Die Türkei werde "alle Fakten" aus den Ermittlungen teilen. Trump sagte, die USA arbeiteten in dem Fall mit der Türkei und Saudi-Arabien zusammen und hätten Ermittler in die Türkei entsandt. Türkische Diplomaten dementierten aber kurz darauf, dass US-Ermittler im Land seien.
Die Türkei hat am Dienstag von Saudi-Arabien die Zustimmung erhalten, das Istanbuler Konsulat zu durchsuchen, doch fand die Durchsuchung bisher nicht statt.
(Y. Rousseau--BTZ)