Juso-Chef Kühnert: Wahl von Nahles zur SPD-Chefin ist keine Erneuerung
Juso-Chef Kevin Kühnert will der Chefin der SPD-Bundestagsfraktion, Andrea Nahles, bei der Wahl zur Parteichefin zwar seine Stimme geben, sieht die Personalentscheidung allein aber nicht als Erneuerung. Zur Forderung nach einer Erneuerung der Partei passe die Wahl von Nahles "auf den ersten Blick natürlich nicht, vielleicht auch auf den zweiten Blick nicht", sagte Kühnert am Samstag in einem Radio-Interview. Nahles sei "natürlich kein neues Gesicht".
Er stelle sich aber "Erneuerung auch nicht so vor, dass wir ein neues Gesicht an die Parteispitze stellen und damit der Hauptteil schon erledigt ist", sagte Kühnert und ergänzte: "Wir haben immer betont, dass wir die programmatische Erneuerung für das absolute Herzstück halten." Die Sozialdemokraten müssten aufhören, sich "immer auf einzelne Personen zu fokussieren und Wohl und Wehe der SPD ausschließlich von denen abhängig zu machen".
Nahles will sich am Sonntag auf einem außerordentlichen Bundesparteitag in Wiesbaden zur neuen Parteivorsitzenden wählen lassen. Gegen sie tritt die Flensburger Oberbürgermeisterin Simone Lange an. Es gilt als sicher, dass Nahles zur SPD-Chefin gewählt wird, allerdings wird ihr Ergebnis nach den Personal-Querelen der vergangenen Wochen mit Spannung erwartet.
Derzeit wird die SPD kommissarisch von Bundesfinanzminister Olaf Scholz geführt. Die Neuwahl wurde erforderlich, nachdem der frühere Vorsitzende Martin Schulz zurückgetreten war. Vor dem Parteitag am Sonntag kommt die Parteispitze bereits am Samstagnachmittag zu Gremiensitzungen in der hessischen Landeshauptstadt zusammen.
Nahles selbst sieht in der Wahl der ersten Frau an die Spitze der Partei ein wichtiges gesellschaftliches Zeichen. "Die Bedeutung liegt in der Ermutigung", sagte sie hirzu nach Information von BERLINER TAGESZEITUNG, in einem aktuellen Interview. Jede Frau, die in die SPD eintrete, könne nun sehen, dass es nach oben "kein Limit" gebe.
Die Erneuerung der SPD ist für Nahles ein politischer Anspruch. "Wir müssen uns selbst fordern", sagte sie. "Zukunftsdebatte heißt, dass wir auch alte Gewissheiten überprüfen." Sie wünsche sich, "dass die SPD wieder ein Ort für interessante Debatten wird, wo wir an Konzepten arbeiten", sagte Nahles.
Bundesjustizministerin Katarina Barley bezeichnete Nahles als "genau die richtige Kandidatin für den SPD-Vorsitz". Nahles kenne "diese Partei wie niemand sonst", sagte nach Information von BERLINER TAGESZEITUNG, in einem aktuellen Interview. Nahles werde mit großer Mehrheit gewählt werden und eine sehr gute Parteivorsitzende sein. "Andrea Nahles ist eine, die Klartext redet - das bringt einem nicht nur Freunde, aber ich schätze das sehr", sagte Barley.
Hilde Mattheis, Vertreterin der SPD-Linken, mahnte, die Parteibasis habe "den berechtigten Anspruch, dass es nicht einfach so weitergehen darf". Ohne einen Erneuerungsprozess werde es "für die nächsten Wahlen wirklich sehr schlecht aussehen", sagte sie in einem Radio-Interview. "Es steht auf Messers Schneide - und ich glaube, einen besseren Ausdruck findet man nicht", warnte Mattheis.
Ingo Kramer, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, forderte die SPD zu "Pragmatismus" auf. "Wenn die SPD aus der 20-Prozent-Ecke herauskommen will, muss sie wieder in der Mitte der Gesellschaft wählbar werden", sagte er gegenüber Medienvertretern. Er traue Nahles zu, "dass sie der Partei eine klare Richtung gibt".
(A. Bogdanow--BTZ)