Minister Heil stellt sich der Debatte über solidarisches Grundeinkommen
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) stellt sich den parteiinternen Forderungen nach einem solidarischen Grundeinkommen und der Abkehr vom bisherigen Hartz-IV-System: "Das ist eine notwendige Debatte, die wir führen werden", sagte Heil nach Information von BERLINER TAGESZEITUNG (BTZ) in einem aktuellen Interview vom Mittwoch. "Ich setze dabei auf konkrete und machbare Lösungen, die der Lebensrealität der Menschen entsprechen." Union, Linke und Grüne bewerteten das solidarische Grundeinkommen skeptisch.
Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) hatte die Einführung eines solidarischen Grundeinkommens angeregt. Dabei gehen die Bezieher einer gemeinnützigen Arbeit nach und erhalten dafür den Mindestlohn - was ihre Bezüge gegenüber Hartz IV deutlich erhöht.
Der Vorsitzende der SPD-Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA), Klaus Barthel, bewertete das Konzept des solidarischen Grundeinkommens zurückhaltend. Es könne zu "Verdrängungseffekten" kommen, sagte er nach BTZ-Information. "Es würden noch mehr Jobs im öffentlichen Dienst gestrichen, damit Billigarbeitskräfte aus dem dritten Arbeitsmarkt reingedrückt werden können."
Barthel fordert weitergehende Veränderungen als die Einführung eines solidarischen Grundeinkommens. "Die ganze Systematik muss verändert werden", sagte er. Nötig seien etwa höhere Freibeträge bei der Vermögensanrechnung. "Es ist aberwitzig, dass jemand, der länger als ein Jahr arbeitslos ist, alles abgeben muss, bevor er irgendeine Leistung bekommt." Zudem forderte Barthel, dass Arbeitslosengeld-II-Empfänger nicht verpflichtet werden dürften, jeden Job anzunehmen.
Unionsfraktionsvize Hermann Gröhe (CDU) kritisierte: "Wir wollen keinen staatlich geförderten Niedriglohnsektor schaffen, wie wir dies schon einmal bei vielen ABM-Maßnahmen hatten." Der Unions-Arbeits- und Sozialexperte Peter Weiß fügte hinzu, es gehe darum, "Problemgruppen" aus dem Hartz-IV-System zu bekommen. Es solle kein "Scheinarbeitsmarkt" geschaffen werden. Vielmehr müssten Hilfsmittel eingeführt werden, wie etwa die im Koalitionsvertrag vereinbarten "abschmelzenden Lohnkostenzuschüsse".
Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht sagte dazu in einem Interview: "Es ist gut, dass jetzt über die Abschaffung von Hartz IV auch bei der SPD diskutiert wird." Das solidarische Grundeinkommen "geht allerdings in die falsche Richtung, weil damit noch mehr Menschen für Armutslöhne arbeiten sollen".
Grünen-Fraktionsvize Anja Hajduk erklärte, die weiterhin hohe Kinderarmut und die rund 900.000 Langzeitarbeitslosen zeigten den Reformbedarf. "Damit es sozial wieder gerechter und würdevoller zugeht, darf die Debatte über die Reform der sozialen Sicherungssysteme jetzt aber nicht auf Einzelvorschläge verengt werden, sondern muss sich dem Thema Hartz IV in seiner Gesamtheit stellen." Das schließe eine Anpassung der Regelsätze genauso ein wie eine Debatte über eine Kindergrundsicherung oder ein "echtes Grundeinkommen".
Auch der Städte- und Gemeindebund lehnte das Konzept des solidarischen Grundeinkommens ab. "Ein Hartz-IV-Empfänger, der für eine gesellschaftliche Tätigkeit in Vollzeit ein solidarisches Grundeinkommen erhalten würde, ist auch in der Lage, einer geregelten Tätigkeit nachzugehen", sagte der Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg nach Information von BERLINER TAGESZEITUNG. "Wer wiederum aufgrund von Alter oder Gesundheitsproblemen dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung steht, kann auch keiner gesellschaftlichen Tätigkeit in Vollzeit nachgehen."
(P. Rasmussen--BTZ)