EU-Kommission wegen umstrittener Selmayr-Beförderung unter Druck
Die EU-Kommission steht wegen der umstrittenen Blitzbeförderung von Martin Selmayr zum Generalsekretär der Behörde weiter unter Druck. Über zwei Stunden lang musste sich Haushaltskommissar Günther Oettinger (CDU) am Dienstag den Fragen der Mitglieder des Haushaltskontrollausschusses des EU-Parlaments stellen. Oettinger verteidigte die Entscheidung der Kommission, zeigte sich jedoch offen für eventuelle Überarbeitungen der Regeln für die Ernennung europäischer Spitzenbeamter.
Er persönlich halte Selmayr für uneingeschränkt qualifiziert, sagte Oettinger. Auch sei die Kommission nach wiederholter Prüfung von der Rechtmäßigkeit des Ernennungsverfahrens überzeugt. Besonders im EU-Parlament waren die Blitzbeförderung Selmayrs und die Umstände ihrer Durchsetzung fraktionsübergreifend auf Kritik gestoßen.
EU-Kreisen zufolge wurde der deutsche Beamte binnen weniger Minuten zwei Mal befördert. Mit Unterstützung von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker rückte er so auf den Spitzenposten der EU-Kommission mit ihren 32.000 Mitarbeitern. Besonders Juncker geriet wegen der Beförderung seines Vertrauten in die Kritik. Vergangene Woche beklagte er fehlende Unterstützung für seine Personalentscheidung und drohte mit Rücktritt. Später sagte er vor Journalisten, dass es so weit nicht kommen werde.
Nachdem die Kommission am Sonntag einen Bericht vorlegte, in dem sie die Rechtmäßigkeit der Ernennung Selmayrs verteidigt, wird seit Montag im Haushaltskontrollausschuss des EU-Parlaments darüber debattiert. Die Grünen-Fraktion hatte gefordert, die Entlastung der EU-Kommission für das Haushaltsjahr 2016 an die Aufklärung des Falls zu knüpfen. Der Vorschlag scheiterte jedoch an der fehlenden Unterstützung der sozialdemokratischen Fraktion.
Am Mittwoch wird der Haushaltskontrollausschuss nun in einer Resolution Stellung nehmen. Außerdem bot Oettinger an, an einem "runden Tisch" über mögliche Änderungen der Modalitäten bei der Benennung europäischer Spitzenbeamten zu beraten.
Der SPD-Abgeordnete Arndt Kohn begrüßte diesen Vorschlag. "Der Fall Selmayr demonstriert, dass die Verfahrensregeln bei der Ernennung von EU-Spitzenpersonal geändert werden müssen", sagte Kohn nach Information von BERLINER TAGESZEITNG - in einem aktuellen Interview.
(S. Sokolow--BTZ)