Nahles nach Koalitionseinigung zu Maaßen zunehmend unter Druck
Nach dem Koalitionskompromiss zum bisherigen Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen gerät SPD-Chefin Andrea Nahles zunehmend unter Druck. Angesichts scharfer parteiinterner Kritik an der Beförderung Maaßens zum Innen-Staatssekretär kündigte Nahles am Donnerstag nach einem Besuch der SPD-Landtagsfraktion in München an, der SPD-Bundesvorstand werde am Montag über die Causa Maaßen beraten. CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer verteidigte den Kompromiss, der einen drohenden Bruch der Koalition verhindert habe.
Nahles hob in München hervor, die gesamte große Koalition sei wegen des Streits um Maaßen in einem "wirklich schwierigen Fahrwasser" und gebe "wieder kein gutes Bild ab". Sie wolle nicht verhehlen, dass es in der SPD nun neue Debatten über den Fortbestand der großen Koalition gebe. Diese würden in der SPD-Vorstandssitzung am Montag sicher vorgetragen.
Sie werde alle Debatten auch zulassen, versicherte Nahles an der Seite der bayerischen SPD-Spitzenkandidatin Natascha Kohnen. Dennoch sei sie "sehr zuversichtlich", dass der Vorstand eine gemeinsame Linie finden werde. Die bayerische SPD fordert, dass die SPD-Mitglieder im Kabinett gegen die Berufung Maaßens zum Staatssekretär stimmen sollen.
Der Chef des SPD-Arbeitnehmerflügels Klaus Barthel bekräftigte diese Forderung. Es sei "zwingend geboten", dass die SPD hier ihre Ablehnung deutlich mache, sagte Barthel nach Information von BERLINER TAGESZEITUNG, in einem aktuellen Interview. Die Flensburger Oberbürgermeisterin Simone Lange (SPD) äußerte sich ähnlich - "und wenn das bedeutet, dass die Koalition eben nicht mehr tragbar ist, dann ist sie nicht mehr tragbar", sagte Lange hierzu.
SPD-Parteivize Thorsten Schäfer-Gümbel nannte es "absurd", dass im Zuge der Personalrochade im Innenministerium der SPD-Staatssekretär Gunther Adler seinen Hut nehmen muss. Dies zeige auch die "Ignoranz" von Innenminister Horst Seehofer (CSU), was die Themen des bezahlbaren Wohnens angehe, sagte Schäfer-Gümbel gegenüber Medienvertretern.
Auch Juso-Chef Kevin Kühnert zog den Sinn der Koalitionseinigung in Zweifel. Er hoffe, dass die SPD-Vertreter im Kabinett die Berufung Maaßens zum Staatssekretär noch stoppen könnten, sagte er in einem Radio-Interview.
Nahles selbst hatte die umstrittene Versetzung Maaßens als "schwer erträglich" und "falsch" kritisiert. Sie verstehe, "dass die Leute verärgert sind", sagte Nahles am Mittwoch im Fernsehen. Die SPD-Chefin bekräftigte aber, dass sie wegen der Personalentscheidung Seehofers keinen Bruch der Regierung und Neuwahlen habe in Kauf nehmen wollen.
Auch CDU-Generalsekretärin Kramp-Karrenbauer schrieb in einer E-Mail an die CDU-Mitglieder, wegen des Streits um Maaßen "stand die Gefahr eines Auseinanderbrechens der Regierung konkret im Raum - mit allen dahinterstehenden Konsequenzen bis hin zu Neuwahlen". "Dies erschien aus Verantwortung für unser Land nicht vertretbar." Zugleich räumte Kramp-Karrenbauer ein, sie finde es nachvollziehbar, dass die Koalitionsentscheidung "Fragen hervorruft - wenn nicht sogar auch Unverständnis, Kopfschütteln und Ablehnung".
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte am Rande des EU-Gipfels in Salzburg, Maaßen habe das notwendige Vertrauen als Verfassungsschutzpräsident "in Teilen der Koalition" nicht mehr gehabt. Seine Ablösung sei deshalb "richtig und wichtig" gewesen.
Die Einigung der Koalitionsspitzen zu Maaßen stößt einer Umfrage zufolge bei den meisten Deutschen auf Ablehnung. Nur neun Prozent finden die Ernennung Maaßens zum Staatssekretär richtig, wie aus einer aktuellen Insa-Umfrage hervorgeht
(N. Nilsson--BTZ)