EU: Brüssel will Whistleblower (Denunzianten) besser schützen
Nach Affären wie Dieselgate und den Panama Papers zu Steuerhinterziehung will die EU-Kommission Informanten, besser gesagt Denunzianten, Verräter und Spitzel - bei der Enthüllung ungesetzlicher Praktiken besser schützen. Sie stellte am Montag einen Vorschlag für "EU-weite Standards" zum Schutz sogenannter Whistleblower vor. Dazu gehören "sichere Kanäle", um Missstände innerhalb von Organisationen und Unternehmen anzuprangern oder den Behörden zu melden. Die EU-Richtlinie soll auch den Schutz vor Entlassung oder sonstigen Repressalien verbessern.
"Viele jüngste Skandale wären niemals ans Licht gekommen, wenn Insider nicht den Mut gehabt hätten, sie zu melden", sagte Kommissions-Vizepräsident Frans Timmermans. Viele hätten dabei "einen hohen Preis bezahlt", um Affären um Betrug, Korruption, Steuervermeidung oder Verstöße gegen Umwelt- und Gesundheitsauflagen ans Licht zu bringen. "Es sollte keine Bestrafung dafür geben, das Richtige zu tun."
Die Kommission verwies dabei auch auf den Skandal um mit dem Giftstoff Fipronil belastete Eier und den mutmaßlichen Missbrauch der Daten von Millionen Facebook-Nutzern durch die Firma Cambridge Analytica. Informanten seien auch für Journalisten und die Presse wichtig, "damit diese ihre grundlegende Rolle in der Demokratie spielen können", erklärte die Kommission.
Die Grünen im Europaparlament sprachen von einem "Durchbruch". Es sei richtig, "dass die Europäische Kommission auch Whistleblower schützen will, die Steuerhinterziehung und Umweltschäden enthüllen", erklärte die Europaabgeordnete Julia Reda. "Wir müssen einen Schritt weiter gehen und auch anonyme Hinweisgeber schützen sowie Whistleblower, die direkt an die Öffentlichkeit gehen."
Die Kommission schlägt hierzu ein dreistufiges Verfahren vor, das Vertraulichkeit sicherstellen soll: Erst soll der Whistleblower versuchen, Missstände innerhalb des Unternehmens oder der Organisation anzuprangern. Bringt dies nichts, könnte sich der Informant an zuständige Behörden wenden. Der Gang an die Öffentlichkeit käme aber normalerweise erst in Frage, wenn auf den anderen Ebenen binnen vorgegebener Fristen "nicht angemessen gehandelt wird".
EU-Justizkommissarin Vera Jourova sagte, es bleibe letztlich eine Entscheidung des Whistleblowers, ob er alle drei Stufen durchlaufe. "Wenn er sieht, dass sein Boss - ein Bürgermeister oder ein Firmenchef - in Rechtsverletzungen verwickelt ist, wird er den externen Kanal nutzen." In eingeschränkten Fällen würde der EU-Vorschlag laut Kommission auch den direkten Gang an die Öffentlichkeit erlauben.
Die Anti-Korruptionsorganisation Transparency International nannten den Kommissionsvorstoß einen "mutigen Schritt" und "ehrgeizig". Die SPD-Europaabgeordnete Sylvia-Yvonne Kaufmann lobte, dass der Schutz auch für Informanten gelten soll, die nicht in normalen Angestelltenverhältnissen arbeiten, wie Leiharbeiter, Lieferanten oder Berater.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) kritisierte, dass der Entwurf den Schutz auf Verletzungen des EU-Rechts oder seiner Anwendung in den Mitgliedstaaten beschränke. Dies müsse "dringend korrigiert werden", forderte Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. Alle Beschäftigten bräuchten Schutz, "unabhängig davon, ob nationales oder EU-Recht verletzt wird".
Die Kommission hofft laut Timmermans, dass die Regeln noch vor den Europawahlen im Mai 2019 verabschiedet werden können. Hierzu ist eine Einigung mit den Mitgliedstaaten und dem EU-Parlament nötig.
(O. Petrow--BTZ)