Trump heizt Stimmung in den USA mit neuen Vorwürfen zu angeblichem "Wahlbetrug" an
Im Wahlkrimi um das US-Präsidentenamt liegen die Nerven zunehmend blank: Amtsinhaber Donald Trump heizte die Stimmung mit neuen Tiraden zu einem angeblichen "Wahlbetrug" bei der Stimmauszählung weiter an. Mehrere US-Sender brachen die Übertragung seiner Pressekonferenz aufgrund der durch nichts belegten Vorwürfe am Donnerstagabend ab. Trump-Anhänger marschierten teils bewaffnet vor Wahlzentren in mehreren Städten auf; Präsidentensohn Donald Trump Junior rief zum "totalen Krieg" in der Wahlschlacht auf. Derweil schmolz der Stimmen-Vorsprung des Präsidenten in wichtigen Schlüsselstaaten.
Im Weißen Haus erhob Trump einmal mehr den Vorwurf, die oppositionellen Demokraten wollten ihm den Wahlsieg "stehlen". "Wenn man die legalen Stimmen zählt, gewinne ich mit Leichtigkeit. Wenn man die illegalen Stimmen zählt, können sie versuchen, uns die Wahl zu stehlen." Er bezog sich damit vor allem auf die auch drei Tage nach der Wahl vielerorts noch laufende Auszählung von Briefwahl-Stimmen. Diese waren mehrheitlich von Anhängern seines Herausforderers Joe Biden abgegeben worden, die wegen der Corona-Krise häufiger per Post abstimmten.
Bei seinem Auftritt im Presseraum des Weißen Hauses legte Trump keinerlei Belege für seine Betrugsvorwürfe vor. Mehrere Fernsehsender unterbrachen die Live-Übertragung nach kurzer Zeit, als erstes der Sender MSNBC, der die Notwendigkeit anführte, Falschaussagen des Präsidenten richtigzustellen. Trump verließ den Raum nach etwa einer Viertelstunde, ohne Fragen von Journalisten zu beantworten.
Der Präsident steht nach der Wahl vom Dienstag mit dem Rücken zur Wand: Er hat derzeit nur 214 der 270 für einen Sieg notwendigen Wahlleute beisammen. Sein Herausforderer Biden kommt nach jetzigem Stand auf mindestens 253 Wahlleute. Wird der Bundesstaat Arizona hinzugerechnet, in dem einige Medien Biden bereits zum Sieger ausgerufen haben, sind es 264.
Entscheidend sind nun wenige Schlüsselstaaten, in denen bisher noch kein Sieger ausgerufen wurde, weil die Rennen extrem eng sind. Dazu zählen Georgia, Pennsylvania und Nevada. In Georgia lag Trump lange vorn, sein Vorsprung in dem eigentlich konservativ geprägten Bundesstaat schrumpfte aber immer weiter, am Freitagmorgen lagen beide Kandidaten etwa gleichauf. Auch in Pennsylvania, wo Trump anfangs weit vorn gelegen hatte, holte Biden auf und lag nur noch rund 18.000 Stimmen hinter Trump. In Nevada wiederum führte Biden knapp.
Trumps Wahlkampf-Team klagte angesichts der Entwicklung in mehreren Staaten gegen die Auszählung. Der Präsident hatte sich bereits in der Wahlnacht zum Sieger erklärt und juristische Schritte bis hin zum Obersten Gerichtshof angekündigt, was auch international auf Kritik gestoßen war und als Angriff auf den demokratischen Wahlprozess gewertet wurde.
Trumps ältester Sohn heizte die Stimmung noch zusätzlich an. "Das Beste für Amerikas Zukunft wäre es, wenn @realDonaldTrump über diese Wahl in den totalen Krieg zieht, um all den Betrug, das Schummeln (...) offenzulegen, das seit viel zu langem anhält", schrieb Donald Trump Junior im Kurzbotschaftendienst Twitter. Es sei an der Zeit, "aufzuräumen und nicht mehr auszusehen wie eine Bananenrepublik", fügte er hinzu. Twitter verbarg die Kurzbotschaft wie schon bei anderen Tweets seines Vaters hinter dem Warnhinweis, dass der Inhalt "umstritten und möglicherweise irreführend" sei.
Vor mehreren Wahlzentren versammelten sich aufgebrachte Trump-Anhänger. In Phoenix in Arizona führte der rechtsextreme Verschwörungstheoretiker Alex Jones eine schwer bewaffnete Gruppe an. In Las Vegas forderten Trump-Unterstützer, dass sie die Wahlzettel sehen wollten. Und in Pennsylvania wurden vor einem Wahlzentrum zwei bewaffnete Männer festgenommen.
Bei den Republikanern wurde derweil Kritik am Vorgehen des Präsidenten laut. Der Abgeordnete Will Hurd nannte Trumps Aufruf zu einem Stopp der Stimmauszählung "gefährlich und falsch". Die Trump bisher unterstützende Zeitung "New York Post" kritisierte dessen Vorwürfe als "unbegründet". Prominente Republikaner stellten sich aber auch hinter Trump.
Biden rief seinerseits zur "Ruhe" auf. Er habe "keine Zweifel", dass er nach Auszählung aller Stimmen die Wahl gewinnen werde, sagte er. Nach Trumps Äußerungen schrieb Biden auf Twitter: "Niemand wird uns unsere Demokratie wegnehmen."
Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) übte unverhüllt Kritik an Trump. Die Losung "Sieg oder Wahlabbruch" widerspreche einem fairen Wahlvorgang, sagte er der Funke-Mediengruppe. "Wer in so einer Situation weiter Öl ins Feuer gießt, der handelt selbst unverantwortlich."
(A. Bogdanow--BTZ)