Macron: Frankreich kämpft nicht gegen "den Islam"
Der französische Präsident Emmanuel Macron hat versichert, dass sich sein Land nicht im Kampf gegen "den Islam" befinde. Frankreich kämpfe gegen den "islamistischen Separatismus, niemals gegen den Islam", schrieb Macron in einem am Mittwochabend veröffentlichten Brief an die britische Zeitung "Financial Times". Mit Äußerungen nach dem mutmaßlich islamistisch motivierten Mordanschlag auf den Lehrer Samuel Paty hatte Macron wütende Proteste in muslimisch geprägten Ländern ausgelöst.
Der Kampf seines Landes richte sich gegen "die Aufklärungsfeindlichkeit, den Fanatismus, den gewalttätigen Extremismus" und "niemals gegen eine Religion", betonte der französische Staatschef in seinem langen "Brief an die Redaktion", der auch vom Präsidialamt in Paris verbreitet wurde.
Mit dem Schreiben reagierte Macron auf einen Artikel, der am Montag auf der Website des Blattes erschienen, aber später von dort entfernt worden war. Darin war ihm vorgeworfen worden, die Muslime in Frankreich aus wahltaktischen Gründen auszugrenzen. Macron betonte nun, in dem Artikel seien seine Äußerungen verzerrt worden. Er werde nicht zulassen, dass jemand den französischen Staat beschuldige, "den Rassismus gegenüber Muslimen zu fördern".
Mit "islamistischem Separatismus" meint Macron eine Abschottung gegenüber der übrigen französischen Gesellschaft. In bestimmten Vierteln sowie im Internet lehrten Gruppen, die mit dem "radikalen Islam" in Verbindung stünden, den Kindern den "Hass auf die Republik" und riefen zur Missachtung der Gesetze auf, kritisierte der Präsident in seinem Brief.
Macron hatte Mitte Oktober bei einer nationalen Trauerfeier für den von einem mutmaßlich islamistisch motivierten Täter enthaupteten Lehrer Paty ein rigoroses Vorgehen gegen islamistische Extremisten angekündigt. Auch bekannte Macron sich deutlich zur Meinungs- und Pressefreiheit und damit zum Recht auf die Veröffentlichung von Karikaturen des Propheten Mohammed. Paty hatte seinen Schülern Mohammed-Karikaturen gezeigt, um die Meinungsfreiheit zu erläutern.
Macrons Äußerungen lösten massive Proteste in zahlreichen muslimisch geprägten Ländern und Boykottaktionen gegen französische Waren aus. Zudem wurde Frankreich seither von einem weiteren mutmaßlich islamistischen Anschlag erschüttert. In Nizza tötete am Donnerstag vergangener Woche ein Angreifer drei Menschen in der Kathedrale.
Am Montagabend wurde dann auch in Wien ein Anschlag mit mutmaßlich islamistischem Hintergrund verübt. Ein Attentäter schoss im Zentrum der österreichischen Hauptstadt auf Besucher und Angestellte von Restaurants und Bars und tötete vier Menschen, darunter eine Deutsche. Der Angreifer verletzte überdies 22 weitere Menschen. Er wurde dann von Polizisten erschossen. Die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) reklamierte den Anschlag für sich.
Macron kündigte nach dem Anschlag zunächst einen Besuch in Wien für kommenden Montag an, den er dann aber absagte. Stattdessen werde der Staatschef mit Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz zu Wochenbeginn per Videoschalte konferieren, teilte das Präsidialamt in Paris mit. Als Grund wurden durch die Corona-Krise bedingte terminliche Engpässe Macrons genannt.
Bei den Gesprächen zwischen Macron und Kurz soll es um ein gemeinsames Vorgehen gegen den islamistischen Extremismus und den Schutz der europäischen Außengrenzen gehen, wie ein Sprecher Macrons zuvor mitgeteilt hatte. Der französische Präsident hatte bereits am Tag nach dem Anschlag von Wien der österreichischen Botschaft in Paris einen Solidaritätsbesuch abgestattet.
(O. Petrow--BTZ)