Umfrage: Populistische Einstellungen sind sehr stark rückläufig
Gut ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl sind einer Umfrage der Bertelsmann-Stiftung zufolge immer weniger Wähler populistisch eingestellt. Im Juni 2020 war nur noch jeder fünfte Befragte entsprechenden Meinungen zuzuordnen, wie aus der am Donnerstag von der Stiftung veröffentlichten Erhebung des Instituts YouGov hervorgeht. Das war mehr als ein Drittel weniger als noch im November 2018.
Zeigten sich vor fast zwei Jahren 32,8 Prozent der Wähler populistisch eingestellt, waren es zuletzt noch 20,9 Prozent. Stark stieg auf der anderen Seite der Anteil unpopulistischer Wähler. Nach 31,4 Prozent Ende 2018 waren mit 47,1 Prozent in diesem Jahr fast die Hälfte aller Wähler dieser Gruppe zuzuordnen.
Das sogenannte Populismusbarometer der Bertelsmann-Stiftung definiert Populismus als eine Idee von Demokratie, die von der Existenz eines objektiv bestimmbaren einheitlichen "Volkswillens" ausgeht, Politiker für eine am eigenen Vorteil interessierte "korrupte Elite" hält, die Ausübung direkter Volkssouveränität etwa in Volksentscheiden befürwortet und politische Kompromisse ablehnt. Ob und inwieweit solche Einstellungen vorliegen, wird seit 2017 per Fragenkatalog ermittelt. Im Juni wurden erneut mehr als zehntausend Wahlberechtigte befragt.
Auffällig war dabei, dass der antipopulistische Wandel vor allem aus der politischen Mitte gestützt wird. Noch vor zwei Jahren hatte es in dieser Wählergruppe die größte Zunahme an populistischen Einstellungen gegeben. "Insbesondere die politische Mitte erweist sich in der Auseinandersetzung mit der populistischen Versuchung als lernfähig und robust und damit als wichtigste Stütze des Meinungsumschwungs", erklärte Robert Vehrkamp, Demokratieexperte der Stiftung und Mitautor der Studie.
Das hat Auswirkungen auf das Parteiensystem. Ein weiteres Abgleiten der Unionsparteien und der FDP ins populistische Wählersegment ist laut Studie damit vorerst gestoppt. "Die Versuchung der beiden bürgerlichen Parteien, dem Populismus der AfD zu folgen, ihn nachzuahmen oder sich zumindest rhetorisch ihm anzupassen, verliert damit seinen elektoralen Anreiz", erklärte Mitautor Wolfgang Merkel vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung.
Insgesamt zeige sich die Parteienlandschaft deutlich populismusresistenter als vor und nach der Bundestagswahl 2017. Die liberale Demokratie habe die populistische Mobilisierung "mit einer demokratischen Gegenmobilisierung beantwortet".
Die Coronakrise habe diese Trendumkehr im politischen Meinungsklima demnach "leicht verstärkt", aber keineswegs ausgelöst. Der Rückgang populistischer Einstellungen habe bereits 2019 eingesetzt. Der Trend habe sich mit der Pandemie fortgesetzt, auch wegen des gestiegenen Vertrauens in die Regierung während der Coronakrise. Die Studienautoren warnen zugleich vor einer steigenden Gefahr durch Populisten vor allem am rechten Rand. Erstes Anzeichen dafür sei "ihre zunehmende Überlappung und Verschmelzung mit rechtsextremistischen Einstellungen".
Das betreffe vor allem die AfD, "die sich von der lupenrein rechtspopulistischen Mobilisierungsbewegung der Jahre 2016/17 in die Richtung einer zunehmend von rechtsextremen Einstellungen geprägten Wählerpartei entwickelt", heißt es im Populismusbarometer. Mit 87 Prozent vertreten demnach fast neun von zehn AfD-Wählern entweder sehr deutlich oder zumindest latent populistische und oder rechtsextreme Einstellungen. (P. Hansen--BTZ)