Gericht in Niedersachsen kippt pauschale Quarantänepflicht nach Auslandsreise
In Politik und Justiz wächst der Widerstand gegen die 14-tägigen Quarantänepflicht für Einreisen aus dem Ausland. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Lüneburg setzte die Regelung nach Angaben vom Dienstag für Niedersachsen außer Kraft. Seine Begründung: Die weltweiten Corona-Fallzahlen ließen nicht mehr zu, Einreisende pauschal zur Quarantäne zu verpflichten. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) sprach sich für eine generelle Lockerung der Quarantäne-Pflicht für Rückkehrer aus dem Ausland aus.
Das Gericht in Lüneburg gab mit dem Urteil im Eilverfahren der Klage eines Mannes statt, der ein Ferienhaus in Schweden besitzt. Er hatte sich dagegen gewehrt, nach der Rückkehr nach Deutschland für 14 Tage in Quarantäne gehen zu müssen. Das Gericht gab ihm Recht: Einreisende aus dem Ausland könnten "nicht pauschal als Krankheits- oder Ansteckungsverdächtiger angesehen werden", hieß es in dem Urteil. Damit fehle die Grundlage für den Erlass der Rechtsverordnung.
NRW-Ministerpräsident Laschet sprach sich angesichts der zurückgehenden Zahl von Neuinfektionen für eine "Lockerung der Quarantäne-Maßnahmen für Rückkehrer aus den europäischen Ländern" aus. Zur Begründung verwies er in der "Rheinischen Post" auf das Ende des Lockdowns in Frankreich. Er sei in diesem Punkt mit den Ministerpräsidenten in Rheinland-Pfalz und im Saarland einer Meinung. Laschet bekräftigte außerdem seine Forderung nach einer Öffnung der geschlossenen Grenzen.
In der vergangenen Woche hatte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) wegen der Corona-Pandemie die Verlängerung der Grenzkontrollen zu Österreich, Schweiz, Frankreich, Luxemburg und Dänemark bis zum 15. Mai angeordnet. Forderungen nach einer vorherigen selektiven Grenzöffnung wies er zurück - zuletzt machten aber auch Unionspolitiker Druck auf Seehofer, die Grenzen rasch zu öffnen.
Der FDP-Innenexperte Benjamin Strasser forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf, Seehofer zu einer Grenzöffnung zu bewegen. Es sei allein mit Seehofers "Starrsinn" zu erklären, dass die Grenzen trotz des Absinkens der Corona-Neuinfektionen nach wie vor geschlossen seien, sagte Strasser der Nachrichtenagentur AFP. "Horst Seehofer muss die Grenzen umgehend öffnen, ansonsten muss die Kanzlerin ein Machtwort sprechen."
Auf die schwierige Lage an der deutsch-polnischen Grenze wies CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak beim Besuch eines Krankenhauses in der Grenzstadt Schwedt hin. Er habe "kein Verständnis dafür, warum das dringend notwendige medizinische Personal nicht aus Polen hier einreisen kann und wieder zurückreisen kann", sagte er. Wegen der Grenzschließung von polnischer Seite gebe es in der Grenzregion "Verzweiflung".
Die 14-tägige Quarantänepflicht ist auch an der deutsch-polnischen Grenze in Kraft - in Deutschland gelten für Berufspendler und andere Grenzgänger allerdings Ausnahmen, in Polen nicht. Ziemiak forderte die polnische Regierung auf, nun "sehr kurzfristig" die Beschränkungen abzuschaffen. Diese fügten der deutsch-polnischen Zusammenarbeit "Schaden" zu.
Die EU-Kommission will die Mitgliedstaaten auffordern, die Grenzkontrollen nach und nach wieder aufzuheben. Die Behörde werde am Mittwoch "Leitlinien" zur schrittweisen Aufhebung vorstellen, sagte die Generaldirektorin der Innenabteilung der Kommission, Monique Pariat,im EU-Parlament.
Die Zustimmung zur Arbeit der Bundesregierung ist derweil drastisch gestiegen. Ende April urteilten 49 Prozent der Bürger, die Regierung agiere in der Corona-Krise stark, wie aus einer Allensbach-Umfrage für die Bertelsmann Stiftung hervorgeht, über die der "Tagesspiegel" berichtete. Das waren demnach 20 Prozentpunkte mehr als ein halbes Jahr zuvor und der höchste Wert seit Beginn der regelmäßigen Allensbach-Befragung 1999.
(D. Meier--BTZ)