Spannung vor Bundestagsabstimmung über Widerspruchslösung bei Organspenden
Kurz vor der Bundestagsabstimmung über die umstrittene Widerspruchslösung bei Organspenden erscheint der Ausgang völlig offen. "Wir haben ähnlich viele Unterstützer wie diejenigen, die sich für die Entscheidungslösung einsetzen", sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), der die Widerspruchslösung befürwortet, dem "Tagesspiegel". Beide Seiten werben auf den letzten Metern noch per Brief um Unterstützung im Parlament.
Der Bundestag debattiert am Donnerstag abschließend über zwei Gesetzentwürfe zur Neuregelung der Organspende. Sie werden jeweils von Abgeordneten quer durch die Fraktionen getragen. In beiden Fällen versprechen sich die Initiatoren eine höhere Zahl von Organspenden.
Spahn will in seiner Funktion als CDU-Abgeordneter die sogenannte doppelte Widerspruchslösung einführen. Demnach würde jeder, der zu Lebzeiten nicht offiziell widersprochen hat, im Falle eines Hirntods automatisch potenzieller Organspender - es sei denn, die Angehörigen wissen, dass er dies nicht wollte. Unterstützt wird der Vorschlag unter anderem vom SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach.
Der andere Gesetzentwurf sieht die sogenannte Entscheidungslösung vor. Demnach soll eine Organentnahme weiterhin nicht ohne ausdrücklich geäußerten Willen des Spenders möglich sein. Allerdings soll die Spendebereitschaft regelmäßig bei Behörden oder beim Arzt erfragt werden.
Zu den Unterstützern dieser Variante zählen Grünen-Chefin Annalena Baerbock und die Linken-Vorsitzende Katja Kipping. Wie die "Welt am Sonntag" unter Berufung auf das Bundesjustizministerium berichtete, will außerdem Ressortchefin Christine Lambrecht (SPD) als einzige unter den Kabinettsmitgliedern mit Bundestagsmandat gegen den Spahn-Entwurf stimmen.
Die "Neue Osnabrücker Zeitung" berichtete, bisher hätten sich 252 von 709 Bundestagsabgeordneten hinter die Widerspruchslösung gestellt. 221 unterstützen demnach die Entscheidungslösung.
In einem Schreiben von Befürwortern der Entscheidungslösung an alle Bundestagsabgeordneten, das der Nachrichtenagentur AFP vorliegt, heißt es, die Widerspruchslösung "setzt auf die Trägheit oder Entscheidungsunfähigkeit der Menschen und nimmt Angehörigen die Möglichkeit der Entscheidung". Schweigen dürfe aber nicht als Zustimmung zur Organspende gewertet werden.
Bereits versendet wurde ein Schreiben Spahns an die Abgeordneten. Darin verweist er unter anderem auf "sehr gute Erfahrungen" anderer Länder mit der Widerspruchslösung. Zugleich versichert Spahn, an der Freiwilligkeit der Organspende ändere sich nichts. Eine Spende bleibe "auch mit der Widerspruchslösung eine freie und persönliche Entscheidung. Die einzige Pflicht der Gesunden besteht darin, sich Gedanken zu machen", heißt es in dem Schreiben, das AFP ebenfalls vorliegt.
In einer Umfrage äußerte sich eine knappe Mehrheit der Teilnehmer positiv zur Widerspruchslösung. In der Erhebung des Unternehmens YouGov für den Verein Leben Spenden gaben 53 Prozent an, sie befürworteten diese Regelung, wie die Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montagsausgaben) berichteten.
34 Prozent lehnten die Widerspruchslösung demnach ab, 13 Prozent machten keine Angaben. Im Auftrag des Vereins, der sich für die Widerspruchslösung stark macht, wurden laut den Zeitungen Anfang Januar 2038 Menschen befragt.
(A. Walsh--BTZ)