Zyklon "Amphan" hinterlässt Spur der Verwüstung in Indien und Bangladesch
Der Zyklon "Amphan" ist in der Grenzregion zwischen Indien und Bangladesch auf Land getroffen und hat eine Spur der Verwüstung hinter sich gelassen. Starke Winde und sintflutartige Regenfälle verwüsteten Küstendörfer und Städte, zerstörten Stromleitungen, entwurzelten Bäume und überschwemmten Häuser. Mindestens neun Menschen wurden getötet, wie die Behörden am Mittwoch mitteilten. "Amphan" gilt als einer der schwersten Zyklone in der Region seit Jahrzehnten.
In Bangladesch meldeten die Behörden sechs Todesfälle, unter anderem wurden ein fünfjähriger Junge und ein 75-jähriger Mann von umstürzenden Bäumen getötet. Die indischen Behörden berichteten der Nachrichtenagentur AFP von drei Toten. Die Menschen wurden demnach ebenfalls von Bäumen erschlagen. Indische Medien meldeten zwei weitere Todesfälle, die von den Behörden bislang jedoch noch nicht offiziell bestätigt wurden.
"Die Situation ist besorgniserregender als die Coronavirus-Pandemie. Wir wissen nicht, wie wir damit umgehen sollen", sagte die Regierungschefin des indischen Bundesstaates Westbengalen, Mamata Banerjee. "In den Küstendörfern des Staates ist fast alles zerstört." Mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 113 Stundenkilometern traf der Zyklon Kolkata, die Hauptstadt von Westbengalen, in der rund 14,7 Millionen Menschen leben.
Über der Stadt gingen heftige Regenfälle nieder, die Überschwemmungen verursachten. Der heftige Wind entwurzelte Bäume, die Telekommunikation im Sturmgebiet war gestört. In Teilen der Stadt war die Stromversorgung unterbrochen, weil die Energieversorger sie vorsichtshalber abgeschaltet hatten. "Ich habe so etwas mein ganzes Leben lang noch nicht gesehen", beschrieb Sriparna Bose, eine Hochschuldozentin, die Sturmszenen.
Medienberichten zufolge rollte eine Sturmflut mehrere Kilometer landeinwärts. Im Südwesten Bangladeschs wurden nach Angaben eines örtlichen Polizeibeamten große Teile des küstennahen Ackerlandes überflutet. Die bangladeschischen Behörden zeigten sich zudem besorgt über Verwüstungen in den Sundarbans-Mangrovenwäldern, die sich in der betroffenen Region über beide Länder erstrecken und zum Unesco-Weltkulturerbe gehören.
Die Häuser "sehen aus, als seien sie von einem Bulldozer überfahren worden", sagte Babul Mondal, ein Dorfbewohner, der auf der indischen Seite der Wälder lebt. "Alles ist zerstört."
Indien sowie Bangladesch hatten sich in den vergangenen Tagen unter Hochdruck auf den Sturm vorbereitet. Allein im ostindischen Bundesstaat Westbengalen wurden nach Angaben der Behörden mehr als 300.000 Menschen aus Küstendörfern in Sicherheit gebracht. Mehr als 20.000 Polizisten, Rettungskräfte und Freiwillige waren mit Booten und Bussen an den Evakuierungen beteiligt, wie die Regierungschefin des Bundesstaats Banerjee sagte.
Insgesamt wurden mehr als drei Millionen Menschen aus Küstengebieten in Sicherheit gebracht. In Bangladesch mussten 2,2 Millionen Menschen ihre Häuser verlassen. Erschwert wurden die Evakuierungen durch die Corona-Pandemie - um die Abstandsregeln einhalten zu können, wurden besonders viele Notunterkünfte benötigt. In beiden Ländern stiegen die Corona-Infektionszahlen zuletzt stark an.
"Wir fürchten den Zyklon, aber wir fürchten auch das Coronavirus", sagte Sulata Munda, eine bangladeschische Dorfbewohnerin, AFP. Die Mutter von vier Kindern und weitere Dorfbewohner hatten aus Angst vor einer Ansteckung mit dem Virus entschieden, sich nicht in die Notunterkünfte zu begeben.
In Bangladesch fürchten die Behörden, dass "Amphan" der schlimmste Wirbelsturm seit "Sidr" im Jahr 2007 wird - damals starben rund 3500 Menschen. Sowohl in Bangladesch als auch in Indien wird vor einer schweren Sturmflut gewarnt. Befürchtet wurden meterhohe Wellen und Überschwemmungen bis weit ins Landesinnere.
Bangladesch und der Osten Indiens werden regelmäßig von Wirbelstürmen heimgesucht. 1999 starben in Odisha fast 10.000 Menschen durch einen Zyklon. 1991 wurden in Bangladesch fast 140.000 Menschen durch von einem Zyklon ausgelöste Stürme und Überschwemmungen getötet.
(K. Berger--BTZ)