Merkel und Macron rufen SPD zu Ja zur Großen Koalition auf
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der französische Präsident Emmanuel Macron haben gemeinsam an die SPD appelliert, auf ihrem Sonderparteitag am Sonntag einer Großen Koalition zuzustimmen. Macron rief die Sozialdemokraten am Freitag bei einem Treffen mit Merkel in Paris auf, "europäischen Ehrgeiz" zu zeigen. Merkel betonte, für das Agieren in Europa sei es "sehr wichtig, eine stabile Regierung zu haben".
Merkel sagte, gerade in Frankreich werde auf die Regierungsbildung gewartet. Sie hoffe deshalb auf "grünes Licht" des SPD-Parteitags in Bonn für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen. Sie sehe eine "große Basis der Gemeinsamkeit" mit den Sozialdemokraten. An die Zweifler gerichtet sagte sie: Kompromisse einzugehen sei "wichtig, um regieren zu können".
Macron betonte, SPD-Chef Martin Schulz habe bisher "großen europäischen Ehrgeiz gezeigt". Er hoffe, dass nun auch die SPD insgesamt diesen "großen europäischen Ehrgeiz zeige". Der Staatspräsident machte erneut deutlich, dass er seine europapolitischen Vorschläge ohne die Bundesregierung nicht verwirklichen könne. Er "brauche" Deutschland für die EU-Reform, sagte er.
Das gemeinsame Treffen zwei Tage vor dem SPD-Parteitag in Bonn wird als wichtiges Zeichen der Rückendeckung von Macron für Merkel gewertet. Der französische Staatschef hatte sich für eine Große Koalition ausgesprochen, da die SPD seine Pläne zu einer "Neugründung" der EU am deutlichsten unterstützt.
Macron hatte seine Initiative zu einer "Neugründung" der EU nach dem Brexit Ende September an der Pariser Sorbonne-Universität vorgestellt. Die Umsetzung ist wegen der langwierigen Regierungsbildung in Berlin jedoch ins Stocken geraten.
Macron fordert unter anderem ein eigenes Budget für die Eurozone und einen eigenen Finanzminister für die Länder mit der Gemeinschaftswährung. In dem Sondierungspapier von Union und SPD ist davon explizit nicht die Rede. Dafür wollen sich die möglichen Koalitionspartner für einen Europäischen Währungsfonds einsetzen, der im Krisenfall einspringen soll.
Merkel und Macron betonten aber, es gebe keine unüberbrückbaren Differenzen. Das Sondierungspapier sei "bewusst so, dass wir Raum für Gespräche mit Frankreich haben", sagte Merkel. Es gebe "Ambiguitäten, die sind gewollt". Macron rief dazu auf, "nicht die Unterschiede, sondern die Gemeinsamkeiten" zu sehen. "So haben wir auch Europa aufgebaut", betonte er.
Am Montag feiern die Parlamente beider Länder den 55. Jahrestag des Elysée-Vertrags, den Kanzler Konrad Adenauer und Frankreichs Präsident Charles de Gaulle 1963 geschlossen hatten. In einer gemeinsamen Resolution wollen sie beide Regierungen aufrufen, einen neuen Freundschaftsvertrag zu schließen, wie Macron es vorgeschlagen hat. Merkel zeigte sich "erfreut" über den Auftrag und betonte: "Deutschland und Frankreich sind dazu bereit." Nach der Pressebegegnung wollten Merkel und Macron ihre Beratungen beginnen. Anschließend standen ein gemeinsames Abendessen auf dem Programm sowie ein Klavierkonzert des Generalmusikdirektors der Berliner Staatsoper, Daniel Barenboim, in der Pariser Philharmonie.
Am Samstag reist Merkel weiter nach Bulgarien. In der Hauptstadt Sofia will sie mit Regierungschef Boiko Borissow zusammenkommen. Hauptthema ist die bulgarische EU-Ratspräsidentschaft in diesem Halbjahr.
Das Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Martin Schulz (SPD) vor allem ihre eigenen politische Karrieren im Auge haben, welche bei einem Nein der SPD-Basis zu Ende sein könnte, vergaß Merkel allerdings bei ihrem Gesprch mit dem französischen Staatspräsidenten zu erwähnen, auch wenn dieser dies wissen dürfte...
(P. Hansen--BTZ)